Als die evangelischen Reichsstände und ihre Theologen am 25. Juni 1530 Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu Augsburg ihr nach dem Tagungsort „Augsburgisch“ genanntes Grundbekenntnis übergaben, wollten sie dadurch ganz bewusst nicht nur ihre eigene Einmütigkeit in Glauben, Lehre und Bekenntnis ausdrücken, sondern auch unter Beweis stellen, dass sie sich im Einklang und in der Glaubens- und Lehreinheit mit der katholischen, ja der römischen Kirche befinden.
Die Übergabe des Augsburgischen Bekenntnisses war also – nach heutigem Sprachgebrauch – ein „ökumenischer“ Akt.
Daraus ergibt sich bis heute für die lutherische Kirche eine grundsätzliche ökumenische, d.h. auf die Einheit der Kirche ausgerichtete Verpflichtung und Verantwortung.
Die lutherische Kirche will für sich nichts Besonderes oder Unterscheidendes in Anspruch nehmen, sondern möchte Zeugin des Evangeliums von Jesus Christus vor der Welt und gegenüber allen Christen sein. Sie kann sich nicht in einen konfessionellen Schmollwinkel zurückziehen, sondern muss nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten konstruktiv und engagiert am ökumenischen Gespräch teilnehmen.
Allerdings vertritt die lutherische Kirche die Überzeugung, dass die Einheit der Kirche nicht anders denkbar und praktizierbar ist, als in der Wahrheit des Evangeliums und in der Liebe.
Einheit, Wahrheit und Liebe lassen sich dabei nicht gegeneinander ausspielen oder nur teilweise verwirklichen.
Einheit ohne Übereinstimmung in der Wahrheit des Evangeliums – und zwar des ganzen, unveränderten und ungekürzten Evangeliums – ist nicht die Einheit, um die Christus selbst den Vater gebeten hat. (Johannes 17,17)
Aber auch Wahrheit, die lieblos vertreten und anderen „um die Ohren gehauen“ wird, ist am Ende nur „totrichtig“ und dient nicht, sondern schadet der Einheit.
Diese Eckpunkte markieren die Haltung der heutigen Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in den Fragen der Ökumene.
Praktisch führt dies zu folgenden Konsequenzen:
1) Mitgliedschaft in ökumenischen Vereinigungen
Die SELK beteiligt sich überall da an ökumenischen Vereinigungen, wo die nach wie vor trennenden Lehr- und Glaubensfragen nicht übersprungen oder ausgeklammert, sondern ernsthaft und in gegenseitigem Respekt (auch in Respekt vor den Gewissensgrenzen des jeweils anderen) erörtert werden. Dies schließt jedoch aus, dass die SELK Vollmitglied in solchen ökumenischen Vereinigungen sein kann, die die praktizierte Kirchengemeinschaft (also Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft) zur Bedingung für die Mitgliedschaft machen, ohne dass die Einigkeit in Glauben und Lehre dafür vorausgesetzt oder überhaupt angestrebt wird.
Die SELK ist daher Vollmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) und im Internationalen Lutherischen Rat (ILC).
Sie steht in unterschiedlich abgestufter Beziehung zu Ausschüssen der VELKD, zum Martin-Luther-Bund, zum Diakonischen Werk der EKD und der Deutschen Bibelgesellschaft.
Sie gehört aber weder zum Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), noch zum Lutherischen Weltbund (LWB), noch zur Vereinigten Ev.-Luth. Kirche in Deutschland (VELKD), noch zur Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
2) SELK und Weltluthertum
Die SELK versteht sich als Teil des Weltluthertums und pflegt auch unterhalb der Ebene von offiziell festgestellter Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen verfassten Kirchenkörpern lebendige Beziehungen zu lutherischen Kirchen in aller Welt. Das gilt in letzter Zeit besonders für lutherische Kirchen in Osteuropa, z.B. Lettland.
Unterschieden werden muss zwischen „offiziell festgestellter Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen verfassten Kirchenkörpern“ und der „innerlutherischen ökumenischen Praxis“.
Wo ein bekenntnistreuer lutherischer Christ aus einer lutherischen Kirche, mit der die SELK nicht in offiziell erklärter Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft steht, die geistliche Gemeinschaft in einer Gemeinde der SELK sucht, wird sie ihm nicht verwehrt, sondern gerne zugestanden werden.
Die SELK vertritt durchaus den Anspruch, in Deutschland die einzige lutherische Kirche in kirchlicher Verbindlichkeit zu sein, weil sie sich ausschließlich an die Bekenntnisse der lutherischen Kirche bindet, wie sie im Konkordienbuch von 1580 gesammelt vorliegen. Eben dies trifft auf die Mitgliedskirchen der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche Deutschlands (VELKD), also die sog. lutherischen Landeskirchen, so nicht zu.
Andererseits ist es unbestritten und unbestreitbar, dass es lutherisches Christentum, ja auch lutherische Gemeinden selbstverständlich außerhalb der SELK gibt und umgekehrt die Zugehörigkeit eines Christen zur SELK längst nicht eine Garantie dafür bietet, dass dieser Christ ein bekenntnisgebundener Lutheraner sein muss.
Das akribische Festhalten an Schrift und Bekenntnis auf der einen Seite und eine dem „Gesetz der Liebe“ entsprechende kirchlich-geistliche Praxis schließen sich daher für die SELK keineswegs aus.
3) Teilnahme am Sakrament des Altars
Die SELK vertritt, ebenso wie auch die römisch-katholische Kirche und die Ostkirchen, den sog. „geschlossenen Altar“. Dies besagt, dass sie prinzipiell nur mit solchen verfassten Kirchenkörpern Sakramentsgemeinschaft feststellt und generell praktiziert, die sich in derselben Weise wie sie an die Heilige Schrift und die lutherischen Bekenntnisse binden und keine Unionen mit bekenntnisverschiedenen Kirchen eingehen.
Das besagt auch, dass die Übereinstimmung eines Kommunikanten mit dem Glauben und der Lehre der lutherischen Kirche die geistliche Voraussetzung für die Zulassung zum Altarsakrament ist.
Darum gilt auch für unsere St. Petri Gemeinde:
Jeder, der zum ersten Mal in unserer Gemeinde kommunizieren möchte, ist gebeten, sich vor dem ersten Gang zum Altar beim Pastor persönlich vorzustellen und anzumelden. Das gilt für lutherische Christen aus einer Gemeinde der SELK und für lutherische Christen aus anderen lutherischen Gemeinden. Dabei ist Gelegenheit gegeben, die Übereinstimmung mit Glauben und Lehre der lutherischen Kirche festzustellen und die Zulassung zum Sakrament auszusprechen.
Ob und inwieweit eine gastweise Zulassung von Christen, die nicht zur SELK oder einer ihrer Schwesterkirchen gehören, mittel- oder langfristig zu einer Entscheidung über die formale Kirchenzugehörigkeit führt oder führen muss, entscheidet der Pastor im jeweiligen Einzelfall in seelsorglicher Verantwortung.
Diese Praxis wird der hohen Verantwortung für die Verwaltung des Altarsakramentes gerecht, die der Kirche und jedem einzelnen Pfarrer aufgetragen ist. Der Einzelne und seine persönliche Glaubensüberzeugung wird dabei respektiert und ernstgenommen. Engherzigkeit und formalistische Lieblosigkeit haben hier keinen Platz, vielmehr wird klar, dass Christus selbst der Einladende und der Herr des Sakramentes ist – Geber und Gabe!